25 April, 2021

Offene und dezentrale Lösungen für die Digitalisierung an Schulen?

Sehr geehrter Herr Kretschmann!

Gerade lese ich wieder, wie Eltern- und Lehrerverbände offene und dezentrale Lösungen für die Digitalisierung an Schulen und das Verbot von Microsoft Office 365 fordern.

Nun, ich bin ebenfalls Lehrer an einer Schule und der Administrator dort und ich möchte ausdrücklich vor diesem Weg warnen.

Natürlich sollen Lösungen entwickelt und – soweit bereits vorhanden – weiterentwickelt werden, die allen unseren rechtlichen Ansprüchen genügen, doch der Ansatz „alles ist besser als Microsoft“ ist kindisch und falsch!

Warum wird derzeit so gerne Office benutzt?

Es steht seit mehreren Jahren zur Verfügung und baut auf erprobter Software (teilweise von Microsoft entwickelt, oft aber auch von Microsoft aufgekauft und weiterentwickelt) auf. Daher werden diese Produkte schon seit Jahrzehnten an deutschen Schulen verwendet. Der Umstieg auf Office 365 bedeutet lediglich einen Umstieg auf eine Variante der bekannten Software, so dass nun auf allen PCs in der Schule und zu Hause die gleiche Version läuft. Dass alle mit der gleichen Oberfläche und Funktionalität arbeiten ist insbesondere bei Unterricht für Einsteiger wichtig!

Gleichzeitig ist Office 365 auf viele Benutzer gleichzeitig ausgelegt und erprobt. Office 365 für Bildungseinrichtungen nutzt exakt dieselbe technische Infrastruktur, wie sie Unternehmen haben. Auch der technische Support ist derselbe, was bei Problemen immer eine Hilfestellung und meistens auch eine Lösung innerhalb einer Stunde verspricht.

 

Datenschutz und Datensicherheit: MS Office vs. offene, dezentrale Lösungen

Natürlich erfüllt Microsofts Office derzeit noch nicht alle Vorgaben der deutschen Auslegung der EuDSGVO. Vor allem die breite Auswertung der Telemetrie-Daten wird kritisiert.

Nichts ist schlimmer und schädlicher, als wenn ein Gesetz ohne Sinn und Verstand strikt nach dem Buchstaben umgesetzt wird! Selbst Kinder im Vorschul- und Grundschulalter laufen heute oft bereits mit einem Smartphone in der Tasche rum. Es ist der Wunsch der Eltern, die lieben Kleinen immer und überall erreichen zu können. Ich möchte nicht wissen, wie viele bei ihren Kindern sogar eine Ortungssoftware aktiviert haben, damit sie auch immer wissen, wo sich ihre Kinder gerade aufhalten. Nun muss man natürlich wissen, dass auch Android und iOS Telemetriedaten in rauen Mengen verschicken, im Zweifelsfall sogar mehr als Office. Grund: Office 365 wird in der Schule und zu Hause verwendet, das Smartphone ist dagegen immer online. Bewegungsprofile werden daher eher übers Smartphone erzeugt. Außerdem läuft Office 365 auf Windows, Android, iOS und MacOS. Auch Betriebssysteme schicken fleißig Telemetriedaten an ihre Hersteller, sobald das Gerät online ist. Welchen Sinn macht es also Telemetrie-Daten der User, die bei Office 365 anfallen zu schützen? Sie werden sich, was persönliche Daten betrifft, nicht von jenen unterscheiden, die wir und unsere Kinder in breitem Strom freiwillig jedem zur Verfügung stellen, der sie haben möchte. Tatsache ist: Spätestens sobald ein Smartphone im Einsatz ist, legt jeder Nutzer eine Datenspur so breit wie eine achtspurige Autobahn quer durch unser Land und die ganze Welt. Wir sollten uns daher beim Datenschutz auf jede Daten beschränken, die überhaupt noch technisch geschützt werden können!

Ähnlich läuft es bei der Datensicherheit! Die „Gebrauchsdaten“ (Dokumente, Dateien, Protokolle,…) werden bei Office 365 für deutsche Nutzer innerhalb der EU gespeichert, Microsoft bietet deutschen Usern (Unternehmen und Bildungseinrichtungen) in regelmäßigen Abständen an, diese Daten auf Server in Frankfurt/Main und Berlin zu migrieren. Bleiben natürlich die Nutzerdaten, die nach wie vor in Redmond gespeichert sind. Wenn man hier Bedenken hat, sollte man darüber mit Microsoft verhandeln, denn ich habe gelesen, dass auch hierfür bereits eine Lösung in Planung, vielleicht sogar schon in Umsetzung ist. Die Bedenken, dass die USA, namentlich die CIA, aufgrund des Patriot-Acts auf Dateien der User zugreifen könnte, obwohl dies durch unsere Gesetze verboten ist, sind geradezu lächerlich naiv!

Selbst wenn das möglich wäre (technisch ist das natürlich kein Problem): Alles, was irgendwo in einer Cloud gespeichert wird, ist auch über das Internet abrufbar. Es gibt keinen Schutz, der nicht von irgendjemand geknackt werden kann, seien es Geheimdienste der verschiedensten Nationen oder einfach Kriminelle, die mit gestohlenen Daten Geschäfte machen. Wenn ich dann lese, dass eine sei eben ein Staat (USA), das andere Kriminelle. Gegen Letztere könne man nichts tun, die gäbe es immer, das sei aber kein Grund die Daten nicht vor „legalem, ungewolltem Zugriff“ zu schützen, muss ich lachen!!!

Natürlich müssen wir alles tun, die Daten vor jeglichem unautorisiertem Zugriff zu schützen! Doch dann soll dieser Schutz gefälligst so professionell wie möglich sein. Microsoft beschäftigt ein Heer von Informatikern, die ihre Infrastruktur sicher machen und halten und wenn es zu Einbrüchen kommt, ist dieses Heer damit beschäftigt, die Lücke zu schließen – weltweit. Wenn am Standort A eine Lücke behoben wird, wird es diese Lücke bei Microsoft innerhalb von Tagen auf keinem ihrer Server mehr geben. Bei einer dezentralen Lösung speziell für Schulen sähe das anders aus: Hier würden dann ein paar Informatiker im Kultusministerium an einer Lösung arbeiten. Da das Team kleiner ist, würde das aber vermutlich etwas länger dauern – doch das ist gar nicht das Problem! Ist die Lösung gefunden, so muss sie auf jedem einzelnen, dezentralen Server auch installiert werden! Das heißt, die Lösung wird an die Regierungspräsidien und Schulämter weitergeleitet und – wenn dort die Server sind – wird dort ein Administrator diese Lösung so bald als möglich umsetzen. Wenn die Server aber in den Schulen installiert sind, dann muss der Administrator dort (der meist auch noch „nebenher“ Vollzeitlehrkraft ist) diese Lösung für sein spezielles System (es ist wahrscheinlich, dass die Software auf unterschiedlichster Hardware installiert sein wird) anpassen und installieren. Bis das passiert ist vergehen weitere Tage, vielleicht Wochen und bei manchen Administratoren wird die Lösung vielleicht sogar völlig unbemerkt bleiben. Dezentrales Speichern auf einer quelloffenen Cloud macht die Daten also keinesfalls bereits sicherer.

Microsoft bietet hier ihr ganzes Know-How ohne zusätzliche Kosten für die Bildungseinrichtungen an – gespartes Geld, das dann in digitale Geräte und Lern-Software gesteckt werden kann und gesparte Man-Power (Zeit), die dann für die Entwicklung digitaler Bildungskonzepte zur Verfügung steht.

Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich bin sehr dafür, dass wir eigene Lösungen entwickeln. Ich bin aber dagegen, andere Lösungen zu verbieten. Beim Thema Klimaschutz und Mobilität höre ich oft, dass sich die beste Lösung durchsetzen soll. Genau das fordere ich für die Digitalisierung unserer Schulen! Strengen wir uns an eine Lösung zu finden, die für den Einsatz an Schulen besser ist als Office 365. Sobald es diese gibt, wird sie sich von ganz alleine durchsetzen.

Zusammenfassung: Anders ist nicht automatisch besser – es ist nur anders!

Wer zu diesem Zeitpunkt ein Verbot von Office 365 aus formal-juristischen Gründen fordert und auf andere vorhandene, aber noch nicht konkurrenzfähige Lösungen verweist, hält die Digitalisierung an unseren Schulen nur auf und sorgt so dafür, dass wir im internationalen Vergleich immer weiter zurückfallen.

Mit freundlichen Grüßen
Georg Doll

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