Sehr geehrter Herr Kretschmann!
Gerade lese ich wieder, wie Eltern- und Lehrerverbände
offene und dezentrale Lösungen für die Digitalisierung an Schulen und das
Verbot von Microsoft Office 365 fordern.
Nun, ich bin ebenfalls Lehrer an einer Schule und der
Administrator dort und ich möchte ausdrücklich vor diesem Weg warnen.
Natürlich sollen Lösungen entwickelt und – soweit bereits vorhanden – weiterentwickelt werden, die allen unseren rechtlichen Ansprüchen genügen, doch der Ansatz „alles ist besser als Microsoft“ ist kindisch und falsch!
Warum wird derzeit so gerne Office benutzt?
Es steht seit mehreren Jahren zur Verfügung und baut auf
erprobter Software (teilweise von Microsoft entwickelt, oft aber auch von
Microsoft aufgekauft und weiterentwickelt) auf. Daher werden diese Produkte
schon seit Jahrzehnten an deutschen Schulen verwendet. Der Umstieg auf Office
365 bedeutet lediglich einen Umstieg auf eine Variante der bekannten Software,
so dass nun auf allen PCs in der Schule und zu Hause die gleiche Version läuft.
Dass alle mit der gleichen Oberfläche und Funktionalität arbeiten ist
insbesondere bei Unterricht für Einsteiger wichtig!
Gleichzeitig ist Office 365 auf viele Benutzer gleichzeitig
ausgelegt und erprobt. Office 365 für Bildungseinrichtungen nutzt exakt
dieselbe technische Infrastruktur, wie sie Unternehmen haben. Auch der
technische Support ist derselbe, was bei Problemen immer eine Hilfestellung und
meistens auch eine Lösung innerhalb einer Stunde verspricht.
Datenschutz und Datensicherheit: MS Office vs. offene,
dezentrale Lösungen
Natürlich erfüllt Microsofts Office derzeit noch nicht alle
Vorgaben der deutschen Auslegung der EuDSGVO. Vor allem die breite Auswertung
der Telemetrie-Daten wird kritisiert.
Nichts ist schlimmer und schädlicher, als wenn ein Gesetz
ohne Sinn und Verstand strikt nach dem Buchstaben umgesetzt wird! Selbst Kinder
im Vorschul- und Grundschulalter laufen heute oft bereits mit einem Smartphone
in der Tasche rum. Es ist der Wunsch der Eltern, die lieben Kleinen immer und
überall erreichen zu können. Ich möchte nicht wissen, wie viele bei ihren
Kindern sogar eine Ortungssoftware aktiviert haben, damit sie auch immer
wissen, wo sich ihre Kinder gerade aufhalten. Nun muss man natürlich wissen,
dass auch Android und iOS Telemetriedaten in rauen Mengen verschicken, im
Zweifelsfall sogar mehr als Office. Grund: Office 365 wird in der Schule und zu
Hause verwendet, das Smartphone ist dagegen immer online. Bewegungsprofile
werden daher eher übers Smartphone erzeugt. Außerdem läuft Office 365 auf
Windows, Android, iOS und MacOS. Auch Betriebssysteme schicken fleißig
Telemetriedaten an ihre Hersteller, sobald das Gerät online ist. Welchen Sinn
macht es also Telemetrie-Daten der User, die bei Office 365 anfallen zu
schützen? Sie werden sich, was persönliche Daten betrifft, nicht von jenen
unterscheiden, die wir und unsere Kinder in breitem Strom freiwillig jedem zur
Verfügung stellen, der sie haben möchte. Tatsache ist: Spätestens sobald ein
Smartphone im Einsatz ist, legt jeder Nutzer eine Datenspur so breit wie eine
achtspurige Autobahn quer durch unser Land und die ganze Welt. Wir sollten uns
daher beim Datenschutz auf jede Daten beschränken, die überhaupt noch technisch
geschützt werden können!
Ähnlich läuft es bei der Datensicherheit! Die
„Gebrauchsdaten“ (Dokumente, Dateien, Protokolle,…) werden bei Office 365 für
deutsche Nutzer innerhalb der EU gespeichert, Microsoft bietet deutschen Usern
(Unternehmen und Bildungseinrichtungen) in regelmäßigen Abständen an, diese
Daten auf Server in Frankfurt/Main und Berlin zu migrieren. Bleiben natürlich
die Nutzerdaten, die nach wie vor in Redmond gespeichert sind. Wenn man hier
Bedenken hat, sollte man darüber mit Microsoft verhandeln, denn ich habe
gelesen, dass auch hierfür bereits eine Lösung in Planung, vielleicht sogar
schon in Umsetzung ist. Die Bedenken, dass die USA, namentlich die CIA,
aufgrund des Patriot-Acts auf Dateien der User zugreifen könnte, obwohl dies
durch unsere Gesetze verboten ist, sind geradezu lächerlich naiv!
Selbst wenn das möglich wäre (technisch ist das natürlich
kein Problem): Alles, was irgendwo in einer Cloud gespeichert wird, ist auch
über das Internet abrufbar. Es gibt keinen Schutz, der nicht von irgendjemand
geknackt werden kann, seien es Geheimdienste der verschiedensten Nationen oder
einfach Kriminelle, die mit gestohlenen Daten Geschäfte machen. Wenn ich dann
lese, dass eine sei eben ein Staat (USA), das andere Kriminelle. Gegen Letztere
könne man nichts tun, die gäbe es immer, das sei aber kein Grund die Daten
nicht vor „legalem, ungewolltem Zugriff“ zu schützen, muss ich lachen!!!
Natürlich müssen wir alles tun, die Daten vor jeglichem
unautorisiertem Zugriff zu schützen! Doch dann soll dieser Schutz gefälligst so
professionell wie möglich sein. Microsoft beschäftigt ein Heer von
Informatikern, die ihre Infrastruktur sicher machen und halten und wenn es zu
Einbrüchen kommt, ist dieses Heer damit beschäftigt, die Lücke zu schließen –
weltweit. Wenn am Standort A eine Lücke behoben wird, wird es diese Lücke bei
Microsoft innerhalb von Tagen auf keinem ihrer Server mehr geben. Bei einer
dezentralen Lösung speziell für Schulen sähe das anders aus: Hier würden dann
ein paar Informatiker im Kultusministerium an einer Lösung arbeiten. Da das
Team kleiner ist, würde das aber vermutlich etwas länger dauern – doch das ist
gar nicht das Problem! Ist die Lösung gefunden, so muss sie auf jedem
einzelnen, dezentralen Server auch installiert werden! Das heißt, die Lösung
wird an die Regierungspräsidien und Schulämter weitergeleitet und – wenn
dort die Server sind – wird dort ein Administrator diese Lösung so bald als
möglich umsetzen. Wenn die Server aber in den Schulen installiert sind, dann muss
der Administrator dort (der meist auch noch „nebenher“ Vollzeitlehrkraft ist)
diese Lösung für sein spezielles System (es ist wahrscheinlich, dass die
Software auf unterschiedlichster Hardware installiert sein wird) anpassen und
installieren. Bis das passiert ist vergehen weitere Tage, vielleicht Wochen und bei manchen Administratoren wird die Lösung vielleicht sogar völlig unbemerkt bleiben.
Dezentrales Speichern auf einer quelloffenen Cloud macht die Daten also keinesfalls
bereits sicherer.
Microsoft bietet hier ihr ganzes Know-How ohne zusätzliche
Kosten für die Bildungseinrichtungen an – gespartes Geld, das dann in digitale
Geräte und Lern-Software gesteckt werden kann und gesparte Man-Power (Zeit), die
dann für die Entwicklung digitaler Bildungskonzepte zur Verfügung steht.
Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich bin sehr dafür, dass
wir eigene Lösungen entwickeln. Ich bin aber dagegen, andere Lösungen zu
verbieten. Beim Thema Klimaschutz und Mobilität höre ich oft, dass sich die
beste Lösung durchsetzen soll. Genau das fordere ich für die Digitalisierung
unserer Schulen! Strengen wir uns an eine Lösung zu finden, die für den
Einsatz an Schulen besser ist als Office 365. Sobald es diese gibt, wird sie
sich von ganz alleine durchsetzen.
Zusammenfassung: Anders ist nicht automatisch besser – es
ist nur anders!
Wer zu diesem Zeitpunkt ein Verbot von Office 365 aus
formal-juristischen Gründen fordert und auf andere vorhandene, aber noch nicht
konkurrenzfähige Lösungen verweist, hält die Digitalisierung an unseren Schulen
nur auf und sorgt so dafür, dass wir im internationalen Vergleich immer weiter
zurückfallen.
Mit freundlichen Grüßen
Georg Doll
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